Aufreger der Woche

Aufreger der Woche

Was uns ärgert:

Jeder weiss es, keiner tut's

Warum es so schwierig ist ein nachhaltiges Pensionssystem sicherzustellen
und was Verhaltensökonomie bewirken könnte
Das österreichische Pensionssystem zählt nicht nur zu den teuersten, sondern auch zu den am wenigsten nachhaltigen Modellen in Europa. Zahlreiche Studien, Experten und Rankings bescheinigen dem heimischen Modell beträchtliche Finanzierungsschwierigkeiten. In kaum einem Bereich wird Österreich von internationalen Institutionen wie der OECD oder dem IWF so häufig kritisiert wie im Bereich Pensionen. Der größte Kritikpunkt: die Österreicher gehen zu früh in Pension. Das wissen alle, die Bevölkerung, die Politik, die Wirtschaft. Trotzdem werden die Fakten verdrängt, negiert, im schlimmsten Fall sogar geleugnet.

Und diese Fakten sind:

  • Die Lebenserwartung steigt stetig an – das ist sicher erfreulich, erfordert aber Maßnahmen im Pensionssystem, um die Finanzierung des Systems auch weiter aufrechtzuerhalten und Altersarmut zu vermeiden.
  • Die Alterspyramide steht auf dem Kopf, und das derzeitige vielgliedrige System ist gekennzeichnet durch große Ungerechtigkeiten, was den Antritt und die Höhe der Pensionen betrifft.
  • Durch die bevorstehende Pensionierung der Babyboomer-Generation wird das System eine besondere zusätzliche Belastung erfahren.
  • Alle Pensionen zusammengezählt haben in Österreich eine Unterdeckung von fast 40%. 21,6 Mrd. EUR waren allein im Jahr 2018 als Direktzuschüsse aus dem Budget notwendig, um die Pensionen und Ruhegelder bezahlen zu können. Das sind mehr als 20% aller Steuereinnahmen des Bundes oder 75% der gesamten Lohnsteuereinnahmen.
  • Zusätzlich zu den Zuschüssen zum Pensionssystem muss von einer steigenden Belastung durch die Finanzierung der Pflege unserer alternden Gesellschaft ausgegangen werden.


Trotz dieser Fakten geschieht wenig bis nichts. Die Politik scheut vor Reformen zurück, für die Wirtschaft, die sich prinzipiell für eine Pensionsreform ausspricht, sind Frühpensionierungen Teil der Personalpolitik und das Ziel vieler Österreicher über 50 ist es offensichtlich, möglichst früh in Pension zu gehen. Und niemand protestiert.
Wir bräuchten ein Friday for Future nicht nur zur Rettung des Klimas sondern auch für ein gerechtes und nachhaltiges Pensionssystem. Bei diesem Thema scheinen aber die Jungen schon resigniert zu haben, unter dem Motto: wir erwarten uns sowieso keine Pensionen mehr, von denen wir leben können.
Von dieser Seite kommt also kein Druck auf die Politik, eine Reform zu machen. Und die größte Wählergruppe, die immer größer wird, fürchtet sich schon vor dem Wort Pensionsreform, obwohl sie eigentlich gar nicht mehr betroffen ist. Und diesen Ängsten, die sich in der Wahlzelle auswirken könnten, gibt die Politik nach und scheut davor zurück, zum Beispiel eine Pensionsautomatik zur Anhebung des Pensionsalters analog zur steigenden Lebenserwartung, umzusetzen. Solange also keine Bewusstseinsänderung in der Bevölkerung für die Notwendigkeit dafür geschaffen wird, dass sich länger arbeiten positiv auf die Pensionshöhe und die eigene Lebenszufriedenheit auswirkt, solange wird auch von Seiten der Politik wenig bis nichts geschehen.

Die Lösung – Länger arbeiten
Experten sind sich sicher, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt, unsere Pensionssystem langfristig zu sichern:   
Die Leistungen deutlich abzusenken, was Altersarmut bedeuten würde und niemand will  oder das Pensionsantrittsalter an die steigende Lebenserwartung anzupassen und damit zu erhöhen. Das Heranführen des faktischen Pensionsantrittsalters an das gesetzliche wäre ein erster wichtiger Schritt und sollte rasch geschehen.

Die Aktion Generationengerechtigkeit hat daher beim IHS eine Studie in Auftrag gegeben, um Pensionsreformansätze aus verhaltensökonomischer Sicht darzustellen. Viele Maßnahmen, die zum Teil rasch und ohne Gesetzesänderungen umzusetzen wären, werden in dieser Studie dargestellt. Die Studie wurde beiden Koalitionspartnern vor den Regierungsverhandlungen zur Verfügung gestellt. Einige wenige finden sich auch im Regierungsprogramm wieder, es wären aber natürlich viel mehr Schritte notwendig.

Eine Auswahl von verhaltensökonomischen Maßnahmen zu:

1. Anpassung des faktischen an das gesetzlichen Pensionsantrittsalter

  • Erweiterung der Darstellung des Pensionskorridors innerhalb des Pensionsrechners bis 68
  • Framing der Frühpension als „Abschlagspension“
  • Zurückdrängung der Invaliditätspension durch präventive Maßnahmen bei der Gesundheitsvorsorge und Einführung von Überprüfungsinstrumenten (amtliche Überprüfung der Führerscheintauglichkeit, Jagdschein etc)
  • Verstärkte Informationen für Frauen, welche positiven Auswirkungen Arbeiten bis 65 hat (z.B. mehr Beitragsjahre – höhere Pensionen)
  • Förderung der Frequentierung des Pensionskontos durch z.B. prominentere Platzierung auf FinanzOnline
  • Betonung der sozialen Norm, (erst) mit 65 in Pension zu gehen
  • Darstellung der Ab -bzw. Zuschläge nicht nur auf monatlicher Basis, sondern bis zur statistischen Lebenserwartung (dieser Punkt findet sich im Regierungsprogramm)

2. Vermeidung Altersarmut bei Frauen durch Erhöhung der Inanspruchnahme des Pensionssplittings

  • Automatisches Pensionssplitting mit einmaliger zeitlich befristeter Opt-Out-Möglichkeit bis zur Vollendung des 10.Lebensjahres, ausgenommen Kindererziehungszeiten (Regierungsprogramm)
  • Verstärkte Information zu den Konsequenzen von Teilzeitarbeit und fehlenden Beitragsjahren (in einem Pensions-/Teilzeitrechner) (Regierungsprogramm)
  • Verknüpfung der Entscheidung über die Aufteilung von Betreuungszeiten mit der Entscheidung über die Inanspruchnahme des Pensionssplittings

3. Stärkung der zweiten und dritten Säule zur besseren Verteilung der Pensionslast

  • Weiterentwicklung der Abfertigung neu z.B. wenn keine Entscheidung bei Auszahlung getroffen wird, automatische Übertragung in ein Pensionskonto mit Widerspruchsmöglichkeit
  • Möglichkeit zur freiwilligen Selbstverpflichtung, Teile künftiger Gehaltserhöhungen in eine Pensionsvorsorge zu investieren
  • Rahmenbedingungen für einen Generalpensionskassen-Vertrag: Möglichkeit der Übertragung von Kapital aus einer Vorsorgekasse (z.B. Abfindung) in eine Pensionskasse (z.B. bei einer neuen Arbeitsgeberin bzw. einem neuen Arbeitgeber) (Regierungsprogramm)
  • PensionsApp: Zusammenführung der 3 Säulen in einer App für jede Bürgerin und jeden Bürger zur Schaffung von Transparenz unter Berücksichtigung von Datenschutz. Ausbaufähigkeit zur späteren Risikosteuerung der individuellen Pensionstöpfe (Regierungsprogramm)

Diese Aufstellung zeigt nur einen kleinen Teil der in der IHS-Studie vorgeschlagenen Maßnahmen, macht aber deutlich, dass auch mit kleinen Schritten wesentliche Verhaltensänderungen bewirkt oder zumindest ein Bewusstsein für deren Notwendigkeit geschaffen werden könnte. Man muss sie nur setzen!


Dipl.Ing. Georg Feith
Aktion Generationengerechtigkeit
Obmann

05.07.2020

Ansturm auf die neue Hacklerpension

4000 Menschen nahmen von Jänner bis März die neue Hacklerregelung in Anspruch. Die Kosten werden dramatisch steigen.

Wien. Die Ibiza-Affäre bringt manchen Pensionisten einen unverhofften Geldregen. Nach dem Ende von Türkis-Blau herrschte im Parlament das „freie Spiel der Kräfte“. Das nützten SPÖ, FPÖ und Liste Jetzt, um im September 2019 eine Neuauflage der umstrittenen Hacklerregelung zu beschließen. Seit heuer darf, wer 45 Arbeitsjahre hat, wieder ohne Abschläge mit 62 Jahren in Pension gehen.

Die Möglichkeit wird gut genützt: 3943 Personen gingen laut Pensionsversicherungsanstalt (PVA) von Jänner bis März in die neue, günstige Frühpension. Damit macht diese Gruppe die Hälfte der rund 8000 vorzeitigen Alterspensionen aus. Im Vergleichszeitraum 2019 gingen gut 6000 Menschen vorzeitig in Alterspension. Sie mussten eine geringere Pension in Kauf nehmen, als wenn sie bis zum regulären Antritt gewartet hätten. Durch das neue Gesetz steigen die Bruttopensionen für Langzeitversicherte um bis zu 14,4 Prozent.

Ältere zusätzlich begünstigt
Das war für viele ein Anreiz, ihren Pensionsantritt hinauszuzögern: 764 Personen haben ihn von 2019 auf heuer verschoben, um in den Genuss der günstigen Frühpension zu kommen. Experten erwarten außerdem, dass Menschen, die vorhatten, länger zu arbeiten, nun früher in den Ruhestand gehen werden. Laut PVA-Generaldirektor Winfried Pinggera geht es für die Betroffenen um etwa 300 Euro im Monat, die sie mehr oder weniger haben. „Wir müssen aufpassen, dass wir hier nicht privilegierte Jahrgänge schaffen“, sagt Pinggera im Gespräch mit der „Presse“. Jene, die jetzt in Pension gehen, seien gegenüber Jüngeren schon an sich besser gestellt. Für sie wird die Pension auf Basis der 15 besten Verdienstjahre berechnet. Aber der Durchrechnungszeitraum wird schrittweise erhöht. Ab 2028 werden alle Beitragsjahre berücksichtigt – auch Zeiten, in denen jemand arbeitslos war. Nun werden Ältere noch einmal begünstigt.

Das hat eine Fairnessdebatte entfacht. Denn: Vier Jahrgänge fallen um die lukrative Regelung um. 2014 wurde der Zugang zur Frühpension verschärft. Langzeitversicherte, die in den Jahren 1954 bis 1957 geboren wurden, konnten nur noch mit Abschlägen in Frühpension gehen. Die SPÖ wollte, dass ihnen die Abzüge rückwirkend gestrichen werden. Aber ÖVP, FPÖ und Neos waren dagegen.

Die ÖVP will die Hacklerpension wieder abschaffen. Die Regelung sei „eine unfaire“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz im Jänner. Die SPÖ bezeichnete die geplante Abschaffung als schweren „Anschlag“ auf Arbeitnehmer. Die Grünen schlugen sich auf die Seite des Koalitionspartners. Frauen profitieren wegen des niedrigeren Pensionsantrittsalters von 60 Jahren vorerst nämlich nicht vom Gesetz. „Eine Regelung nur für Männer, da sträubt sich was in mir“, sagte Vizekanzler Werner Kogler.

Milliardenkosten bis 2050
Die Hacklerregelung war stets heftig umstritten. Die klassischen Schwerarbeiter profitieren nämlich kaum. „Diese Pension erhält man, wenn man lange Versicherungszeiten erwirbt. Der durchschnittliche Bezieher war bei einer Bank oder Versicherung beschäftigt und hatte das Privileg, selten arbeitslos gewesen zu sein“, sagt PVA-Generaldirektor Pinggera.

Laut einer Studie des Budgetdienstes wird die abschlagsfreie Frühpension für Langzeitversicherte allein heuer 115 Mio. Euro kosten. Die PVA spricht von 35 bis 40 Mio. Euro. Voriges Jahr wurde auch eine höhere Mindestpension (Pensionsbonus) beschlossen und die einjährige Wartefrist für die erste Pensionsanpassung gestrichen. Weil davon von Jahr zu Jahr mehr Menschen profitieren, steigen die Kosten stetig. Im Jahr 2050 sollen sie für alle neuen Maßnahmen 2,1 Milliarden Euro betragen.

Die PVA rechnet wegen der Coronakrise mit Rückgängen der Pensionsbeiträge im zweistelligen Prozentbereich. „Da wird mir angst und bange“, sagt Pinggera. Im März wurden gut zwei Millionen Pensionen ausgezahlt

Wann wird sie Hacklerregelung eigentlich rückgängig gemacht wie versprochen?

07.05.2020

Aufreger der Woche 5.2018

Am ALTTAG2018 der vom Aktionsnetzwerk | Alt sein und gut leben 2050 am 25. Jänner 2018 organisiert wurde, war der ehemalige Sozialminister Rudolf Hundstorfer einer der Mitdiskutanten. Hundstorfer zeigte sich dort von der steigenden Armutsgefährdung im Alter betroffen und sagte wörtlich „Ja wir haben ein Pensionssystem das Geld kostet. Dieser Generationenvertrag muss aufrechterhalten werden. Jeder von uns, der eine ASVG Pension bezieht, zahlt der Staat 18% mit - von jedem von uns, bei den Bauern zahlt der Staat 80% mit, bei den Gewerbetreibenden 50% und die Beamten sind ein Auslaufmodell, weil seit dem Jahr 2000 wird im öffentlichen Dienst niemand mehr wirklich pragmatisiert wird, mit wenigen Ausnahmen. Und wenn wir uns einreden lassen die Alten sind zu teuer, wenn wir uns einreden lassen der Generationenvertrag, diese 18%, sind zu viel, dann ist das System irgendwann vorbei. Wir sind es, die das machen. Es ist unserer Gesellschaft, die diese Antworten liefert“ Und Hundstorfer plädiert für Solidarität zwischen Jung und Alt, Arm und Reich und zwischen den Staaten.

Was der, seit 2016 Pensionist der Gemeinde Wien, Hundstorfer, der eine mit 83% aus Steuermitteln gestützte Pension erhält, nicht sagt, ist, dass er es war, der bei der Einführung des Pensionskontos mit 01.01.2014 durch die Einbuchung einer für den Einzelnen nicht nachvollziehbare Erstgutschrift, die Parallelrechnung des Jahres 2004 abgeschafft hat und damit wesentlich das heutige System gestaltet hat.

Beim Apell an die  Solidarität der Menschen in Österreich sollten wir nicht die  ÖBB Mitarbeiter vergessen, die  mit 54,2 Jahren und einer 75%igen Unterstützung durch den Steuerzahler oder die Landesbeamten, die mit 58,8 Jahren und einer 80%igen staatlichen Unterstützung in Pension gehen. Viele Berufsgruppen (z.B. Bundesbeamte, ÖBB-Mitarbeiter, Bauern) verlieren durch gesellschaftliche Veränderungen (keine Pragmatiesierung, Rückgang der Bauernschaft) ihre aktiven Einzahler, deshalb sind Teilbetrachtungen nicht aussagekräftig.  Die durch den Staat zu deckende Pensionslücke beträgt 42% für alle Pensionen und nicht 18% oder 22 Mrd. €- das sollte Herr Hundstorfer als ehemaliger Sozialminister eigentlich wissen- sein Nachfolger Minister Stöger hat diese Lücke schon eingestanden. O-Ton: „ 6% des BIP“ = 22 Mrd.€“. Jeder 4. Steuereuro wird für die Pensionslücke verwendet – vor allem weil ein kleiner Teil der Pensionisten privilegiert ist (z.B Herr Hundstorfer als pensionierter Wiener Landesbeamter) und alle durchschnittlich um 5 Jahre zu früh in Pension gehen. Die Fakten fordern eher Solidarität von Frühpensionisten und Privilegierten.

05.02.2018

Über 70 unterschiedliche Pensionssysteme in Österreich

Derzeit gibt es über 70 unterschieldiche Systeme. das kostet nicht nur unnötig Geld für Administation und Gehälter, sondern fördert auch die Bildung von Ungerechtigkeiten.

28.10.2017